Bosko Bjelanovics große Herausforderung

Als Spielertrainer will der international erfahrene Handballer den HTV Hemer wieder auf Kurs bringen

Hemer Gesehnt hat er sich nach dieser Aufgabe nicht. „Tiho ist mein Freund, und ich wäre lieber nur Spieler so wie bisher“, sagt Bosko Bjelanovic. Doch seit der letzten Woche und der Entlassung von Tihomir Knez als Trainer der Oberliga-Handballer des HTV Hemer fungiert der 34-Jährige in der Doppelrolle als Spielertrainer. Und diese bis zum Saisonende zu akzeptieren, hat ihn nach eigener Aussage in die Zwickmühle gebracht, denn er will unbedingt den Eindruck vermeiden, er sei scharf auf das Amt des zuletzt erfolglosen Coaches gewesen. Bjelanovic ist nach dem Personalwechsel aber mehr denn je der Hoffnungsträger im Abstiegskampf.

Als solcher war er im Sommer verpflichtet worden, und beim Blick auf seine Vita bestand eigentlich kein Zweifel, dass die Hemeraner einen dicken Fisch an Land gezogen hatten. Als Profi spielte er zuletzt fast zehn Jahre für Sporting Lissabon, feierte zahlreiche Erfolge und war noch in der letzten Saison in der Champions League im Einsatz. Dann folgte der massive Einschnitt, der Umzug ins Sauerland, Handball auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Bosko Bjelanovic erläutert den Hintergrund. „Ich hätte vielleicht noch zwei Jahre als Profi spielen können, aber beruflich sah ich für die Zeit danach keine gute Perspektive in Portugal.“Die gute Perspektive für die Familie gab den Ausschlag

Er hat in Lissabon studiert, eine Ausbildung zum Physiotherapeuten absolviert und neben dem Handball auch in diesem Metier gearbeitet. Aber für einen angemessen bezahlten Fulltime-Job nach der Karriere sah es schlecht aus. „Ich wollte Sicherheit für meine Familie, für meine Kinder.“ Tochter Jana ist sieben Jahre alt, Sohn Milan eineinhalb. Mit Ehefrau Jugoslava ging er in Klausur, um über einen ganz neuen Lebensabschnitt zu beraten, und die Entscheidung fiel nicht leicht. Schließlich hat Bjelanovic die letzten 20 Jahre in Portugal verbracht, erst in Porto, dann in Lissabon, und er besitzt auch die portugiesische Staatsbürgerschaft.

Geboren in Kroatien, lebte er während des Balkan-Krieges in den 90er Jahren mit der Familie in einer serbischen Enklave in Kroatien. „Meine Eltern hatten Kontakte zu portugiesischen UN-Soldaten, deren Basis der Nähe lag“, berichtet Bjelanovic. So reifte der Entschluss der Familie, den Kriegswirren zu entfliehen und sich ein neues Leben in Portugal aufzubauen. Mit seinen Eltern und seinem Bruder zog er nach Porto, wo Bjelanovic, damals 13, auch wieder mit dem Handball begann. Und er entwickelte sich stetig weiter. Bis auf Topniveau.

Nach dem Wechsel zu Sporting lernte er die Metropole Lissabon schätzen, aber er wollte den Blick nicht vor der Realität verschießen. „Es ist eine tolle Stadt, die viel Lebensqualität bietet, aber sie ist auch teuer.“ Also musste das Ehepaar abwägen, was man zurücklassen würde und welche Perspektiven sich in Deutschland auftun könnten. „Meine Frau hat gesagt: Lass es uns probieren. Und damit war die Sache klar.“ Über seinen Berater Manuel Garcia wurde der Kontakt nach Hemer und zum HTV geknüpft, und Bosko Bjelanovic räumt ein, dass die Eingewöhnung schwierig war. Eine andere Sprache, ein völlig anderes Umfeld und Handball nur noch als Feierabendbeschäftigung. Hinzu kam eine Schulterverletzung, an der er seit vier Jahren laboriert, die er aber jetzt als weitgehend überwunden ansieht. Er nahm eine Arbeitsstelle als Physiotherapeut an, die ihn gut auslastet, doch es fiel ihm nicht leicht, als langjähriger Profi, der täglich trainierte, dem Sport die Nebenrolle zuzuweisen.

„Aber jetzt kann ich sagen, dass es die richtige Entscheidung war.“ Bjelanovic betont die Hilfsbereitschaft vieler Leute, die seiner Familie das Einleben erleichterten. „Wir haben Freunde gefunden und fühlen uns wirklich wohl hier.“ Und wenn Sohn Milan ab Sommer den Kindergarten besucht, will sich Ehefrau Jugoslava auch wieder ihrem erlernten Beruf als Landschaftsarchitektin widmen. Die deutsche Sprache beherrscht Bosko Bjelanovic zwar noch nicht so gut wie Tochter Jana, aber der Sprachkurs zeigt Wirkung.Den Klassenerhalt hat Bjelanovic noch nicht abgehakt

Aber ob auf deutsch oder englisch: In den Gesprächen mit den HTV-Spielern ist er sicher, dass er seine Vorstellungen präzise vermitteln kann. „Abwehrarbeit ist wichtig, und weil wir viele junge Spiele haben, müssen wir auch auf Tempo setzen.“ Mit der letzten Leistung in Haltern war er trotz der Niederlage zufrieden. „40 Minuten haben wir gut gespielt, und bis zum Heimspiel gegen Soest werden wir noch sehr intensiv arbeiten.“ Stichwort Heimspiel: „Die Zuschauer auf der Tribüne müssen immer das Gefühl haben, dass wir auf dem Feld alles geben.“ Und genau diese Einstellung will er zusammen mit Volker Isenberg vermitteln, damit der Abstiegskampf doch noch ein gutes Ende nimmt. „Wir haben es selbst in der Hand, und ich habe großes Vertrauen in meine Mitspieler.“

Sein Vertrag läuft über die Saison hinaus, und er will weiter mit dem HTV in der Oberliga aktiv sein. Als Spieler. „Den Trainerjob mache ich wirklich nur für diese drei Monate,“ versichert Bosko Bjelanovic.

Text: IKZ, Willy Schweer
Foto: Dennis Echtermann

https://www.e-pages.dk/ikziserlohn/400/assets/a273979085i0014_max1024x.jpg