Neue Zuversicht nach dem Schock

HTV-Spitzenspielerin Johanna Becker erleidet eine Horrorverletzung. Danach erhält sie Hilfe von allen Seiten

Oliver Bergmann

Johanna Becker wird vorerst mit dem Platz auf der Tribüne vorlieb nehmen müssen. An eine Rückkehr aufs Spielfeld ist frühestens im Herbst zu denken.                                              <b>Oliver Bergmann</b>
Johanna Becker wird vorerst mit dem Platz auf der Tribüne vorlieb nehmen müssen. An eine Rückkehr aufs Spielfeld ist frühestens im Herbst zu denken. Oliver Bergmann

Hemer Platz zwei erreichten die Handballerinnen des HTV Hemer Anfang Januar bei einem Vorbereitungsturnier der HSG Hohenlimburg. Nur Oberliga-Spitzenreiter ASC Dortmund erwies sich zweimal als etwas zu hohe Hürde – ein Umstand, mit dem sie im HTV-Lager gut hätten leben können. Tatsächlich interessierten Ergebnisse und Platzierungen niemanden mehr, selbst während das Turnier noch lief.

Denn im zweiten Vorrundenspiel gegen die Gastgeberinnen passierte ein Unglück, unter dessen Folgen das Team wahrscheinlich noch den Rest dieses Jahres, das ja immer noch sehr jung ist, zu leiden haben wird.

Leistungsträgerin Johanna Becker hat sich in dieser Partie eine Horrorverletzung im linken Knie zugezogen: einen Längsriss des linken Außenmeniskus, einhergehend mit einer Zerrung des Außenbandes und einem Riss des vorderen Kreuzbandes. Festgestellt wurden unmittelbar danach noch ein Bluterguss im Betroffenen Knie. „Und der Knorpel hat auch etwas abbekommen“, erzählt Johanna Becker.

Wie sich das auf dem Spielfeld angefühlt hat, weiß sie noch ganz genau. „Es ist während einer Drehung passiert. Ich habe es zweimal knacken gehört und konnte mich danach gar nicht mehr bewegen. Es war, als hätte ich mich in einer Schockstarre befunden. Sogar der Knöchel wurde dick.“ Den Schmerz, der sie durchfuhr, vergleicht sie mit dem Gefühl, dass ihr jemand ins Knie bohrt. „Ich habe sofort gewusst, dass etwas Schlimmes passiert ist.“ Auch Trainer Dirk Niedergriese steht noch unter dem Eindruck des Geschehenen. „Den Rest des Turniers hat das Team für Johanna gespielt. Als wir dann von der Diagnose gehört haben, war das ein Schock.“

Trainer muss reagieren und Umstellungen vornehmen

Wie groß die Lücke ist, die Johanna Beckers Ausfall sportlich hinterlässt, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen: In zwölf Verbandsligaspielen erzielte sie 58 Tore, in vier Partien war sie erfolgreichste HTV-Schützin. Niedergriese muss nun dauerhaft umstellen, zumal auch noch Amrei Kleinkes mit einer Knieverletzung wochenlang außer Gefecht gesetzt ist. Nun übernehmen Lenya Pokroppa und Lucie Hötger mehr Verantwortung. Zufrieden registriert Niedergriese, dass der Plan aufgeht. Ihn beschäftigt aber ein ganz anderer Gedanke viel mehr: „Johanna und Amrei stehen kurz vor ihrem Sport-Abitur. Das ist ein viel größeres Problem.“

So schien es zunächst. Wahrscheinlich können die beiden im Frühsommer trotzdem ihre Abiturzeugnisse entgegennehmen, denn an ihrer Schule, dem Placida-Viel-Berufskolleg in Menden, lag für solche Fälle ein Plan B bereits in der Schublade.

Johanna Becker erklärt: „Die Schule hat mir versichert, dass ich keinerlei Nachteile zu erwarten habe. Die geplanten praktischen Prüfungen werden jetzt zu theoretischen.“ In zwei Wochen muss sie eine Sportstunde leiten. Damit ihre Gesundheit nicht zusätzlich strapaziert und ihr Bewegungsradius möglichst geringgehalten werden kann, darf sie sich eine Assistenz heranziehen. Die ist mit Natascha Schroth bereits gefunden, sie ist nicht nur Mitspielerin, sondern auch Mitschülerin. „Ich bin sehr froh, dass die Schule so entgegenkommend ist. Für mich wurde sogar ein Parkplatz direkt vor der Tür reserviert, damit ich nicht so viel laufen muss.“

Bislang ist nur auf den zweiten Blick zu erkennen, dass bei ihr irgendetwas nicht stimmt. Die 19-Jährige läuft etwas unrund, eine Schiene oder Gehhilfen benötigt sie nicht. Das wird sich aber ändern, wenn ihr im Februar ein neues Kreuzband eingesetzt wird.

Unterstützung durch den Verein beseitigt letzte Zweifel

Bei einer ersten Operation ist der Meniskusschaden repariert worden. Die volle Unterstützung beim Genesungsprozess ist seitens des HTV schon angelaufen. Sie darf das zu Coronazeiten in Betrieb genommene und gegenüber des Grohe-Forums gelegene Trainingszentrum, die „Powerbox“, nach Lust und Laune nutzen und auch die Physiotherapeuten, die sich um die Spielerinnen kümmern, haben ihr die volle Unterstützung garantiert. „Im Verein haben so viele Leute ihre Hilfe angeboten“, sagt sie dankbar. Deswegen ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nach ihrer Genesung auch wieder das HTV-Trikot tragen wird.

Frühestens im Herbst wird Johanna Becker möglicherweise ins Mannschaftstraining einsteigen können – ein optimaler Heilungsprozess vorausgesetzt. „Mir wurde gesagt, dass man fünf bis sechs Monate nach der OP sehen kann, ob man wieder voll da ist. Mein Arzt hat aber auch gesagt, dass im Knie von vornherein etwas nicht in Ordnung gewesen sei.“ Keine Zweifel hat sie, dass die Mannschaft den Spurt Richtung Verbandsliga-Meisterschaft und Oberliga-Aufstieg trotzdem erfolgreich durchzieht.

Text/Foto: IKZ, Oliver Bergmann