Das Handball-Tor ist sein sportliches Leben

Die Stationen der langen Karriere und das plötzliche Comeback des Hemeraner Torwarttrainers Marco Fritzsche

Hemer „Wenn der Ball mit teilweise mehr als 100 Stundenkilometern auf Dich zukommt, kann einem für einen Augenblick schon mal ziemlich mulmig werden“, bekennt Marco Fritzsche freimütig, um dann lachend hinzuzufügen: „Deshalb glaube ich auch fest an die aus dem Fußball bekannte These, dass Torhüter vielleicht nicht unbedingt verrückt sind, wohl aber ein besonderes Völkchen sind.“

Und der Iserlohner muss es wissen, denn er steht quasi sein komplettes Leben bereits zwischen den Pfosten unzähliger Handball-Tore. „Ich wollte nie etwas anderes als Torhüter spielen und bin bereits seinerzeit als ,Mini’ beim VfK Iserlohn damit angefangen.“

Der VfK ist dann auch Fritzsches Heimatverein, wo er alle Jugendklassen durchlief. „Ich glaube, ich bin dort bis heute der jüngste Torwart, der bei den Herren eingestiegen ist“, blickt der inzwischen 42-Jährige zurück. Bereits mit 16 Jahren führte ihn sein Talent in den „Kasten“ bei den Landesliga-Senioren. Die nächste Station seiner langen Karriere führte den Iserlohner dann zur HSG Menden-Lendringsen, mit der ihm schließlich der Aufstieg von der Verbands- in die Oberliga gelang. Weiter ging es für Marco Fritzsche zur HSG Hohenlimburg, wo er zwei weitere Jahre in der Landesliga spielte. „Ich habe mich damals zum Wechsel entschlossen, weil ich etwas kürzer treten wollte“, so Fritzsche. „Nach meiner Hohenlimburger Zeit hatte ich eigentlich meiner Frau Miriam versprochen, meine aktive Laufbahn endgültig zu beenden“.

Bei Una Kavrans Anfrage konnte Marco Fritzsche nicht Nein sagen

Doch der im positiven Sinne „Handball-Verrückte“ wurde schnell wortbrüchig. Er hängte nochmals drei Jahre in der Verbandsliga bei Rote Erde Schwelm und nach einjähriger Auszeit schließlich noch eine allerletzte Spielzeit bei der HSG Herdecke-Ende dran. Doch dann war endgültig Schluss mit seiner aktiven Torhüter-Karriere – oder?

Schließlich hatte Marco Fritzsche ja bereits parallel eine Karriere nach der Karriere begonnen – natürlich als Torwart-Trainer. „Ich wurde seinerzeit von Una Kavran, der damaligen Jugendkoordinatorin des HTV Hemer angesprochen, die für die weibliche B-Jugend des Vereins einen speziellen Trainer für ihre Torhüterinnen suchte. Marco Fritzsche, der damals schon „so nebenbei“ eben diese Funktion bei der A-Jugend des Letmather TV ausübte, konnte natürlich nicht Nein sagen. Und die Kompetenz des Iserlohners zeigte schnell auch beim HTV Erfolge. „Irgendwann wollte der Verein dann mehr und ich war nach und nach auch verantwortlich für das Training der Torhüter der 1. Herren, der A-Jugend und der 1. Damen“, berichtet Fritzsche.

So ist er heute meist mindestens vier Tage in der Woche im Grohe-Forum anzutreffen. Montags um 17 Uhr geht es los. „Dann habe ich meist sieben bis neun Torhüter aus verschiedenen Teams zusammen.“ Anschließend folgen die Torhüter der 1. Herren nochmals separat. „Dabei geht es vor allem meist um Krafttraining und das richtige Stellungsspiel“, erläutert der Iserlohner, der dann ausnahmsweise mal zum „Feldspieler“ mutiert. „Das Werfen lass ich mir nicht nehmen, schließlich erkenne ich die gemachten Fehler selbst am besten“, sagt Marko Fritzsche mit einem Lachen.

Doch dann passierte etwas, was nochmals für zusätzliche Turbulenzen ins eingefahrene Trainerleben des Marco Fritzsche bringen sollte. Nachdem Dominik Bock, einer der Torhüter der HTV-Herren sich bereits einen Muskelfaserriss zugezogen hatte, verletzte sich Marko Jurakic in der Verbandsliga-Partie gegen Hattingen ebenfalls am Fuß. „Und da Alex Wizy ausgerechnet in der Woche auf Klassenfahrt war, standen die Herren plötzlich ohne einen einzigen einsatzfähigen Torhüter da. Was tun? „Ich habe mich mit Trainer Bosko Bjelanovic und unserem sportlichen Berater Stefan Flügge zusammengesetzt und gesagt: ,Es gibt eine Option: Mich. Wenn wir die ziehen, komme ich zwei- bis dreimal zum regulären Training und stelle mich nochmal selbst ins Tor“, erinnert sich Marco Fritzsche. Schnell wurden sich die drei einig, dass das kurzfristig zumindest für eine Woche die praktikabelste Lösung sei. Dass sich auch Alex Wizy noch am Knie verletzte, kam dann noch hinzu.

Jubelnde Fans ein tolles Gefühl beim unverhofften Comeback

Nachdem Fritzsche sich auch das Okay von seiner Frau geholt hatte, wurde es ernst. „Die ersten Trainingseinheiten waren schon schwierig und mir hätte eigentlich schon das Warmmachen gereicht“, schmunzelt Fritzsche im Rückblick auf sein Comeback. Doch als ihn Bosko Bjelanovic gegen das Schlusslicht aus Gladbeck schließlich in der Schlussphase für Marko Jurakic wirklich ins Tor beorderte, waren die Mühen und Qualen blitzartig vergessen. „Es war schon ein irres Gefühl, als mich die Hemeraner Fans beim Betreten des Feldes lautstark bejubelten und ich als i-Tüpfelchen in den zehn Minuten nur einen einzigen Ball durchlassen musste. Da hat wirklich alles gepasst.“ Es folgten in den nächsten Spielen weitere Kurzeinsätze, wobei der beim TV Halingen für Fritzsche schon etwas Besonderes war. „Da habe ich mich aufgrund der alten Rivalität wirklich drüber gefreut.“

Inzwischen ist das reguläre Torwart-Trio des HTV wieder fit, und das ist aus Sicht ihres Torwart-Trainers auch gut so. „Ich wollte mich ja nie in den Vordergrund spielen und war einfach nur für den Notfall zur Stelle.“ So kann sich Marco Fritzsche inzwischen wieder seinen normalen Aufgaben widmen und da zählt – was am Schluss nicht unerwähnt bleiben darf – auch noch ein weiteres „Nebenbei-Engagement“ zu. Bei der weiblichen B-Jugend der SG DJK Sümmern-Iserlohn sieht er ab und an auch mal nach dem Rechten, „aber nur, wenn es meine Zeit erlaubt und weil dort die Tochter des Trainers Oliver Skrzypczak mitspielt, die zufälligerweise meine Patentochter ist“, verrät Marco Fritzsche mit einem vielsagenden Lächeln.

Text: Christoph Schulte
Foto: Lothar Gudat

Marco Fritzsche (li.) in seiner gewohnten Rolle: Als Torwarttrainer beim HTV – hier mit Marko Jurakic (sitzend) und Dominik Bock – wirkt er oft als Tröster und Motivator.  Lothar Gudat
Doch in dieser Saison kehrte er als „Backup“ zeitweise auch ins Verbandsliga-Tor der HTV-Herren zurück. Lothar Gudat