Das Ass im Ärmel des HTV Hemer

Der 28-jährige Wael Ben Youssef spielt seine zweite Saison beim Handball-Verbandsligisten


Wenn Wael Ben Youssef in seinem Element ist und aufdreht, wird es für die Gegner des HTV Hemer unangenehm. Regelmäßig gehört er zu den erfolgreichen Schützen im Team. Lothar Gudat

Oliver Bergmann


Hemer Spieler mit Stallgeruch, also solche, die entweder direkt aus der eigenen Jugend stammen, oder in der Vergangenheit schon einmal das grün-schwarze Trikot getragen haben, sehen die Verantwortlichen des HTV Hemer besonders gerne in den Seniorenteams. Das bedeutet aber nicht, dass allen anderen Akteuren nicht genauso zugetraut wird, trotzdem Teil der HTV-Familie zu werden.

Das beste Beispiel dafür, dass sie sich für den Verein ins Zeug legen, die Chance bekommen und sie auch nutzen, eine Führungsrolle innerhalb der Mannschaft zu übernehmen, ist Rückraumspieler Wael Ben Youssef. Der ging vor zwei Jahren noch für den MTV Rheinwacht Dinslaken in der viertklassigen Regionalliga Nordrhein auf Torejagd, von dort aus ging es direkt ins Grohe-Forum.

An der Tagesordnung sind Wechsel zwischen zwei Spielorten, die mehr als 100 Kilometer entfernt voneinander liegen, nicht. „Das lag daran, dass meine Frau damals schon in Menden gewohnt hat“, begründet der gebürtige Tunesier, der seine Heimat erst 2016 verlassen hat und dort bis dahin für Étoile Sportive du Sahel gespielt hat. Der Klub aus Sousse, der drittgrößten Stadt des Landes, ist in mehreren Sportarten eine große Nummer. Allein die Handballer feierten zwischen 1988 und 2019 insgesamt 16 nationale und zehn internationale Titel.

In der Szene sprach sich schnell herum, dass Ben Youssef beabsichtigt, im märkischen Sauerland heimisch zu werden, und dass er deswegen auf Vereinssuche ist. Inzwischen lebt er nicht nur mit seiner Ehefrau in der Nachbarstadt, sondern auch mit dem gemeinsamen dreijährigen Sohn.

Stefan Flügge, der den Vorstand des HTV berät und schon einige Transfers einfädelte, bekam von einem Bekannten den Tipp, sich Ben Youssef mal anzuschauen. Er erinnert sich: „Wir hatten ihn zum Probetraining eingeladen und praktisch schon nach zehn Minuten genug gesehen und waren von seinen Qualitäten begeistert. Wael ist jemand, der Spiele entscheiden kann“, sagt Flügge, der auch dessen menschliche Qualitäten schätzt.

Hemer hat einfach das größte Interesse gezeigt. Und wohl gefühlt habe ich mich im Verein
und bei der Mannschaft auch sofort.

Wael Ben Youssef

Hemer sticht Menden und Bösperde aus

„Wael ist immer freundlich und gut gelaunt.“ Auch er selbst blickt auf das Frühjahr 2022 zurück, als die Suche nach einem neuen Verein noch lief. Der Weg zum HTV war keinesfalls vorgezeichnet. „Ich stand außerdem noch mit Bösperde und Menden, wo ich auch zur Probe trainiert habe, in Kontakt. Aber Hemer hat einfach das größte Interesse gezeigt. Und wohl gefühlt habe ich mich im Verein und bei der Mannschaft auch sofort.“

Deswegen ist Ben Youssef nicht nur zum HTV gekommen, sondern auch geblieben – trotz des verpassten direkten Wiederaufstiegs in die Oberliga, und obwohl er in 18 Spielen 115 Treffer erzielte. Zum Vergleich: Aktuell steht er bei 85 Toren in 15 Spielen.

„Im ersten Jahr lief es schon nicht schlecht, aber jetzt sind wir noch stärker, weil sich die vielen jungen Spieler unter unserem Trainer weiterentwickelt haben. Er motiviert die Jungs auch richtig gut.“ Auf Bosko Bjelanovic ist Wael Ben Youssef genauso gut zu sprechen, wie es umgekehrt der Fall ist. „Wael ist ein sehr guter und wichtiger Spieler mit einer hohen individuellen Qualität.“ Auf sie verzichtet Bjelanovic aber freiwillig – zumindest zeitweise. Zuletzt saß Ben Youssef, der mit seinen 28 Jahren bereits Hemers ältester Spieler ist, sofern Matthias „Matze“ Kohl nicht im Tor aushelfen muss, aber zu Beginn auf der Bank. Bjelanovic: „Wichtig ist nicht, wer anfängt, sondern wer es erfolgreich zu Ende bringt.“ Mit solchen Maßnahmen hat Ben Youssef kein Problem. Mehr noch: Er findet sie richtig gut. „Es ist doch ganz angenehm, wenn ich von außen erstmal in Ruhe einen Eindruck davon gewinnen kann, wie das Spiel überhaupt läuft.“ In den jüngsten Partien lief es bis zum Zeitpunkt seiner Einwechslung für den HTV angesichts von Gleichständen oder knappen Rückständen nicht optimal.

Überheblichkeit wird sofort bestraft

Mit einer Ausnahme zeigte Ben Youssef danach stets, dass er der Unterschiedsspieler ist, auf den sie beim HTV so stolz sind: „Ende Januar, bei der Niederlage in Hattingen, hatten wir alle keinen guten Tag. Aber das hat uns auch wieder einmal gezeigt, dass in dieser Liga jeder jeden schlagen kann, wobei die Oberliga-Absteiger Gevelsberg-Silschede und Volmetal schon eine hohe Qualität mit in die Liga gebracht haben. Trotzdem behaupte ich, dass die motiviertere Mannschaft gewinnt.“ Seine eigene Motivation, mit dem HTV Hemer noch möglichst viele Spiele zu gewinnen und am Saisonende in die dann neu eingeführte Regionalliga aufzusteigen, um dort weitere Erfolge zu feiern, ist offenbar hoch – andernfalls würde er wohl kaum über das Saisonende hinaus bleiben: „Ich habe dem HTV mein Wort schon gegeben“, stellt er klar.

Text: IKZ, Oliver Bergmann
Foto: Lothar Gudat

oder unterstützt uns direkt hier durch eine Pay-Pal-Spende für gute Jugendarbeit. Vielen Dank!